Wenn einer eine Reise tut ..
Wenn einer eine Reise tut ..

Wenn einer eine Reise tut ..

To travel is to live …

Ich bin aufgeregt. Sogar sehr. Schon lange bin ich nicht mehr weit gereist, meine Kreise sind mit den Jahren kleiner geworden. Allenfalls mal ein paar Stunden mit dem Wohnmobil an den Atlantik habe ich mir die letzten Jahre gegönnt. Dabei  liebe ich es zu reisen. Am liebsten mit dem Auto, aber dann eben weit weg, durch ganz Europa, kreuz und quer. Das ist mein nächster Reisetraum.

Meine ganze Familie besteht aus Reise-Freaks…

Auch gern mal mit dem Rucksack quer durch Patagonien, Pilgerwege, Berge, Gletscher, Safaris – alles schon ausprobiert.  Mit uns zu reisen birgt Abenteuer. Ich weiß nicht was es ist, aber irgendetwas passiert immer. Ob mein Sohn nach Äpplewoi-durchzechter Nacht gerade noch seinen Flieger zurück nach Afrika erwischt und dabei sein gesamtes Hab und Gut im Security Tray vergisst, oder ob er vor der Tankstelle beschwingt seinen Autoschlüssel aus der Hosentasche ziehen will und dieser dann im Gully landet, oder ob wir einen Tag zu früh oder zu spät am Flughafen auftauchen, oder ich  einen Flug buche, bei dem einfach alles schief läuft.

Eine Reise sollte immer gut geplant sein…

Dabei will ich dieses Mal  ganz besonders organisiert vorgehen. Gute Planung ist das Geheimnis einer entspannten Reise. Alles soll wie am Schnürchen klappen, keine Pannen, keine Probleme. Frühzeitig suche ich mir Flüge im Netz, es soll nicht so teuer werden. Wenn man rechtzeitig bucht, das weiß jedes Kind, kann man ein paar gute Schnäppchen abgreifen. Ich will zu meinem Sohn und seiner Familie nach North Lake Tahoe, an der Grenze zwischen Kalifornien und Nevada, wo sie seit knapp einem Jahr leben. Leider können wir uns nicht so schnell auf einen Termin einigen, so dass ich mit Schrecken verfolge, wie die Flüge täglich teurer werden.

Ich kann ja schon mal das ESTA Visum beantragen, das ist ja nicht abhängig vom Abreisetermin. Das Formular will nicht begreifen, dass ich zwar einen deutschen Pass habe, dieser aber im Deutschen Konsulat Malaga ausgestellt ist. Immer wieder gebe ich die korrekten Daten ein, aber es klappt nicht. Also gebe ich als Ausstellungsort Deutschland ein. Das Formular ist zufrieden und tatsächlich erhalte ich ein paar Tage später das genehmigte Visum, drucke es aus und lege eine Reisemappe an. Ich komme mir super durchorganisiert vor.

Flug buchen will gelernt sein…

Zwischenzeitlich haben sich die Ticketpreise weiter nach oben geschraubt und ich nehme schnell das billigste Angebot über London und Los Angeles. Gerade als ich bezahlen gedrückt habe und die Bestätigung per Email erhalte, sehe ich, dass ich nur sieben Kilo Handgepäck mitnehmen darf und nur dieses eine Gepäckstück. Ne, oder? Aber man kann ja noch Gepäck dazu buchen, denke ich und ich quäle mich durch die Seiten, bis ich fündig werde. Ja, man kann, allerdings für hundertzweiundsechzig EUR pro Stück! Dann müssen die sieben Kilo reichen, obwohl ich da in den tiefsten Winter komme. Die Gummibärchen für die Kinder kann ich selbst aufessen zur Not, Kosmetik kann raus und eine klitzekleine Handtasche wird ja wohl genehmigt sein. Wintersachen kann ich von meiner Schwiegertochter ausleihen. Ich fühle mich beschwingt. Abenteuerlustig. Jung.

Die Sache mit dem Visum…

Bis ich dann am Abflugtag am Schalter der Airline stehe. Bei den anderen Passagieren vor mir ist alles schnellstens erledigt, was gibt es denn bei mir zu beanstanden? Meine Reisemappe ist komplett mit Bordkarten, Visum und Reiseinfos. Mir gefällt die gerunzelte Stirn der Dame am Schalter nicht.  Mein Visum ist im Computer nicht zu sehen, erklärt sie mit finsterer Miene. Es scheint annulliert zu sein. Sie rät mir unbedingt in London nochmals nachzuforschen. Ich mache mir keine Sorgen, ich habe es ja schwarz auf weiß.

In London jedoch wieder das gleiche Problem. Diesmal ist es ernst. Sie wollen mich nicht Boarden ohne Visum. Na toll. Ich breche in Tränen aus, nur noch eine Stunde habe ich Zeit das zu klären. Letztlich bleibt mir nichts übrig als die Dame am Schalter zu bitten online ein neues Visum zu beantragen, nochmals vierzehn Dollar plus fünfunddreißig Pfund Bearbeitungsgebühr. Wobei nicht sicher ist, dass es noch vor dem Abflug kommt. Ich rufe meinen Sohn an, heule ihm was vor, er gibt mir eine Telefonnummer durch, helpline for Visa problems. Ihm wollen sie keine Auskunft geben, weil er nicht der Antragsteller ist. Warteschleife, please hold on, we will be with you in a few seconds. Diese seconds haben meine Telefonrechnung aufs gröbste strapaziert, wie ich heute gesehen habe. Niemand nimmt ab. Verzweifelt eile ich wieder zum Schalter. Mitleidige Blicke. Die freundliche Mitarbeiterin hat Pause. Die Uhr läuft, ich bitte, ich flehe. Ein anderer Mitarbeiter sucht auf ihrem Arbeitsplatz und zieht zwischen einem Wust Papier den genehmigten Antrag hervor, ich kann gerade noch danke rufen und rase gefühlte zehn Kilometer die Gänge entlang zum Boarding Schalter. Kein Laufband. Niemand außer mir zu sehen. In wirklich allerletzter Sekunde treffe ich ein. Meine Hüfte schmerzt. Die mürrische Person am Schalter lässt mich mit der klitzekleinen Handtasche, (na ja, es war dann letztlich ein kleiner Rucksack), plus meinem Miniköfferchen nicht durch, ohne beide Stücke zu wiegen. Zehn Kilo! Rügt sie mich und siebzig Pfund werden durch meine Kreditkarte gezogen. Ich ernte missbilligende Blicke der Passagiere, die nur noch auf mich warten mussten.  Elf Stunden und fünfzig Minuten Flugzeit liegen vor mir. Völlig erschöpft schlafe ich fast die ganze Strecke.

Kurz mal in Los Angeles…

In Los Angeles muss ich zu einem anderen Terminal. Leider sagt mir keiner, dass es da einen Shuttle Service gibt und ich laufe mit dem Ziehkoffer, dessen Griff verdächtig wackelt und dem Rucksack an der Straße entlang. Endlose Wege im Flughafen, Sicherheitskontrolle, Drogenkontrolle. Ich versuche mein Spiegelbild an einer Säule zu erhaschen. Sehe ich schon so abgekämpft  aus??  Köfferchen aufmachen. Strafend nimmt die Beamtin eine halbleere Cremedose heraus. Ich ziehe mich wieder an, Schuhe, Gürtel, Schal, Jacke, und eile mal wieder zum Boarding Schalter. Die Sicherheitsbeamtin holt mich gerade noch ein und händigt mir meinen Pass aus, der im Tray liegengeblieben ist. Es liegt definitiv in der Familie! Auf halbem Weg bricht das Gestänge des Köfferchens mitten durch. Mir bleibt nichts anderes übrig als die sieben Kilo zu tragen, die mit jedem Schritt schwerer zu werden scheinen. Ich habe doch so lange in Afrika gelebt, also warum nicht auf dem Kopf tragen? Das entlastet den Rücken. Ich ernte merkwürdige Blicke.

Endlich in Reno angekommen!

Mit dem Koffer auf dem Kopf laufe ich vorbei an all den einarmigen Banditen, an denen wartende Passagiere ihr Glück versuchen. Ich bin völlig durchgeschwitzt, öffne die Tür. Kälteschock! Überall Schnee und Minusgrade. Ein eisiger Wind pfeift um die Ecke. Alle Mitreisenden eilen auf die wartenden (wahrscheinlich geheizten) Abholerfahrzeuge zu. Ich stehe einsam auf dem Parkplatz mit meinem dünnen Jäckchen.  Falscher Flugplatz? Nein, falscher Ausgang. Ich habe mal wieder nicht hingehört. Da kommt Alex schon lachend angelaufen und befreit mich von meiner Kopflast.

Und irgendwann ist dann die Rückreise dran…

Nach diesen wunderschönen zwei Wochen bei  meiner Familie, trete ich ausgeruht und  fröhlich den Rückweg an.  Beim ausdrucken der Bordkarte fällt uns auf, dass der Flug nicht mittags geht, und nicht über Oaklands, sondern schon ganz früh über Las Vegas. Gut, dass wir das noch gesehen haben.  Schade, denn wir wollten gemütlich nach Reno fahren, das ist jetzt eher unentspannt so früh.

Der Lake Tahoe

Der etwa 497 qm/km große Lake Tahoe, auf der Grenze von Nevada und Kalifornien, befindet sich westlich der 3317 m hohen Carson Range, Sierra Nevada. Er ist mit 501 Metern der zweit tiefste und auch einer der höchst gelegensten (1900 m)  Seen der USA . Tiefblau liegt er, umrandet von Kiefernwäldern in einer atemberaubend schönen Gebirgslandschaft. Im Winter kann man direkt vom Hotel aus auf die diversen Skipisten direkt am See, oder man fährt ein paar Kilometer nach  Squaw Valley.

Sommer bietet der See unzählige Badestrände, die Stateparks sind für Hiker und Biker und Kletter-Freaks geeignet und wenn man Glück hat sieht man auch einen Bären!